30.09.2022 | Blog
  1. Zu teuer, zu laut, zu mangelhaft – wie alles begann
  2. Skandale am laufenden Band
  3. Einreichung als Hoffnungsschimmer
  4. Die Unterschrift und Rückzug der Initiative
  5. Der Kampf geht weiter

Zu teuer, zu laut, zu mangelhaft – wie alles begann

Am 31. August 2021 haben wir, die Allianz gegen den F-35, bestehend aus GSoA, SP und GRÜNEN, die Initiative „Stop F-35“ lanciert. Bereits nach der Referendumsabstimmung über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge im Herbst 2020, die hauchdünn mit 50.1% angenommen wurde, kündigten wir an, im Falle der Wahl des F-35 eine Volksinitiative zu lancieren. Nachdem der Bundesrat im Juni 2021 entschieden hatte, 36 Stück des F-35A zu beschaffen, setzten wir die Ankündigung in die Tat um. Gründe hierfür gibt es viele, angefangen bei den Unsummen von Geld, welche der Kampfjets im Verlauf seiner Lebenszeit verschlingen wird. Der F-35 ist ein milliardenschweres Kostenrisiko und weist zahlreiche technische Mängel auf. Es handelt sich um einen hochtechnisierten Tarnkappenbomber in der Entwicklungsphase, der dafür konzipiert wurde, über feindlichem Gebiet Bomben abzuwerfen. Als solcher ist er völlig überdimensioniert für die Aufgaben der Schweizer Luftpolizei und viel zu teuer. Schon zu diesem Zeitpunkt machte der F-35 weltweit Schlagzeilen aus verschiedenen Gründen. In mehreren Staaten explodierten die Kosten (eine Studie der kanadischen Regierung ergab, dass der F-35 über die Lebensdauer das fünffache des Beschaffungspreises kostet: Auf die Schweiz bezogen also 30 Mia. CHF). Der unsägliche Lärm wurde kritisiert. Selbst in den USA, dem Herstellerland, ist und war der Jet regelmässig in der Kritik. Ranghohe US-Militärfunktionäre bezeichneten den F-35 als „gescheitert“ oder gar als „Stück Scheisse“ (Anmerkung der Redaktion: Das ist ein wörtliches Zitat des ehemaligen US-Verteidigungsministers Christopher Miller).Grund zur Sorge gab es aufgrund der zahlreichen Negativschlagzeilen und Unklarheiten im Zusammenhang mit diesem Jet genug. Ausserdem handelt es sich um das grösste Rüstungsprojekt der Schweizer Geschichte. All dies veranlasste uns zur Lancierung der Initiative, die entgegen der Behauptung unserer Gegner*innen mehr als berechtigt war. Wir akzeptierten den Volksentscheid vom Herbst 2020. Hätte sich der Bundesrat für einen europäischen Jet entschieden, hätte es keine Initiative gegeben. Bereits im November 2021 zeigte sich das erste Mal die Problematik des F-35. Teuerungsbereinigt lag der Kaufpreis plötzlich um eine Milliarde Franken höher, als ursprünglich kommuniziert wurde.

Skandale am laufenden Band

Im Februar 2022 versprach Bundesrätin Amherd an einer Pressekonferenz, dass sie mit der Vertragsunterzeichnung warten würde, bis die Volksabstimmung stattgefunden hat. Bald war dieses Versprechen wieder vergessen. Nur wenig später forderte uns Amherd auf, die Unterschriftensammlung wegen Putins Angriffskrieg auf die Ukraine abzubrechen. Dass 36 Stück F-35 Kampfjets, die erst 2027 geliefert werden können, weder die Schweiz sicherer machen, noch den Menschen in der Ukraine helfen, hinderte das VBS und die bürgerlichen Parteien nicht daran, den Krieg für ihre Argumentation zu instrumentalisieren. Die Aufforderung eines Bundesratsmitglieds an ein Initiativkomitee, eine laufende Unterschriftensammlung abzubrechen, ist historisch einmalig und ein demokratiepolitischer Skandal.

Im März 2022 forderten die bürgerlichen Parteien die Beschleunigung der F-35-Beschaffung. Plötzlich wurde die Frist des Kaufvertrages vom 31.03.2023 zum Problem erklärt und Amherd behauptete, eine Abstimmung vor Vertragsschluss wäre nur möglich, wenn die Initiative bis Ende Monat eingereicht sei. Unbeirrt sammelten wir im bisherigen Eiltempo weiter.

Im April 2022 erschien eine Studie des US-Rechnungshofes, welche zeigte, dass sich der Preis des F-35 erhöhen wird. Seitens VBS wurde stets behauptet, dass die Schweiz Fixpreise für den F-35 zugesichert bekommen habe. Wie das möglich ist, blieb ein Rätsel, auch für Expert*innen im Bereich von US-Rüstungsbeschaffungen.

Im Mai spitzte der Bundesrat sein undemokratisches Verhalten zu und verkündete, den Kauf der F-35 unabhängig vom Stand unserer Initiative zu besiegeln. Mit seiner Unterstützung des bürgerlichen Narrativs machte er klar, Amherds Versprechen vom Februar brechen zu wollen.

Im Juni 2022 nahm der US-Rechnungshof gegenüber SRF Stellung und bestätigte weitere technische Mängel und finanzielle Risiken des F-35. Das VBS blieb taub. Im selben Monat aber setzte Amherd plötzlich eine neue Deadline für die Einreichung unserer Initiative. Zuerst war die Rede von Ende März 2022, nun hiess es plötzlich Ende Juni 2022. Für uns war endgültig klar, dass auf Amherds Aussagen schlichtweg kein Verlass mehr ist.Während das VBS und die bürgerlichen Parteien den Kauf des F-35 als zwingend notwendig darstellten, kamen fortlaufend neue Erkenntnisse ans Licht, die unserer Initiative recht gaben. Im Juli veröffentlichte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) einen Bericht, der die immer behaupteten Fixkosten des VBS in Frage stellte. Es wurde bestätigt, was wir stets kommuniziert haben und was auch Rüstungsexpert*innen aus den USA immer sagten: Die Schweiz wird denselben Preis für den F-35 bezahlen müssen wie die USA, die Höhe des Preises kennt aktuell noch niemand. Die EFK ist ein eidgenössisches, staatliches Kontrollorgan, dessen Aufgabe die Überprüfung genau solcher finanziellen Risiken wie dem der F-35-Beschaffung ist. Weil der Bericht der EFK das Narrativ des VBS nicht stützte, musste sich die EFK heftige Anschuldigungen von Armasuisse gefallen lassen.

Einreichung als Hoffnungsschimmer

Im August war es dann soweit: Trotz Pandemie und den Eingriffen des Bundesrats waren die 103’000 gültigen Unterschriften nach weniger als einem Jahr Sammelzeit beisammen und eingereicht worden. Zeitgleich publizierten wir einen Zeitplan, wie die Abstimmung noch vor dem Auslaufen der Frist für den Kaufvertrag stattfinden könnte. Die rechtlichen Gegebenheiten sprachen dabei für uns. Es war schlicht eine Frage des politischen Willens. Unsere Forderung blieb auch nach den undemokratischen Umtrieben des Bundesrates und der bürgerlichen Parteien klar: Die Stimmbevölkerung muss über das grösste Rüstungsgeschäft der Schweizer Geschichte abstimmen können, das mit so vielen finanziellen und technischen Risiken behaftet ist. Inzwischen hatte der Ständerat bereits beschlossen, dass der Kaufvertrag bis zum 31.03.2023 unterzeichnet werden muss. Kurz darauf wurde die Gültigkeit unserer Initiative durch die Bundeskanzlei festgestellt. Dabei hat die Bundeskanzlei in Rekordzeit gearbeitet und bewiesen, dass zumindest ein Teil der Bundesverwaltung seine Verantwortung ernst nimmt. Der Bundesrat jedoch setzte sich einmal mehr über die direkte Demokratie hinweg und teilte mit, dass er keine Abstimmung vor dem 31.03.2023 ermöglichen würde. Nun lag es am Nationalrat, die Volksrechte aufrechtzuerhalten.

Vor seiner Debatte erschien Anfang September der Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK). Dieser bezog sich auf die Evaluation der Kampfjettypen und ergab kurz gesagt, dass der Bundesrat beim Kampfjetgeschäft ein dysfunktionales Gremium war. Er legte sich selbst Regeln auf, welche die Beschaffung eines europäischen Jets verhinderten, obwohl “historische Gegengeschäfte” mit massiven Vorteilen für die Schweiz im Raum standen. Man kann sagen, dass aufgrund dieser Angebote niemand aus dem Bundesrat den F-35 wirklich wollte, aber aufgrund der Evaluation verpflichtet war, ihn zu wählen. In seiner Naivität beschloss der Bundesrat, sich auf technische Aspekte zu beschränken und aussenpolitische Faktoren auszulassen, obwohl solche Beschaffungen immer eine hochpolitische Angelegenheit sind. Weil die Kommunikation innerhalb der Landesregierung katastrophal war, bekamen das aber nicht alle Mitglieder mit und so wurde bis kurz vor Bekanntgabe des Typenentscheides mit mehreren Staaten über Gegengeschäfte verhandelt, obwohl seit Monaten klar war, dass die Entscheidung auf den F-35 hinaus lief. Umso mehr hätte das Volk nun darüber abstimmen müssen. 

Doch leider erkannte auch der Nationalrat nicht, dass die Brisanz dieses Geschäfts eine Volksabstimmung mit einer breiten öffentlichen Debatte notwendig macht. So entschied er am 15. September 2022 in der Herbstsession, dass die Jets bis zum 31.03.2023 zu beschaffen seien. Somit setzte sich auch die grosse Kammer über die demokratischen Volksrechte hinweg. Auf Nachfrage bestätigte Amherd, dass Verhandlungen mit den USA über eine Fristerstreckung “sicher möglich gewesen wären”. Dem verwehrte man sich seitens Bundesrat aber. Das ist eine weitere Frechheit in der Reihe von Amherds undemokratischen Vorgehensweisen, denn damit hätte eine Volksabstimmung ermöglicht werden können.

Die Unterschrift und Rückzug der Initiative

Obwohl bis März 2023 Zeit zur Unterzeichnung gewesen wäre, konnte es Bundesrätin Amherd kaum erwarten, sich endgültig über die 100‘000 Menschen hinwegzusetzen, welche die Volksinitiative unterzeichneten. Nur vier Tage später, am 19. September, wurde der Kaufvertrag für die Beschaffung des F-35 unterschrieben.

Nach langem Diskutieren und Analysieren kamen wir schweren Herzens zum Entscheid, die Initiative zurückzuziehen. Bundesrätin Viola Amherd und die bürgerlichen Parteien haben sich über die direkte Demokratie hinweggesetzt. Es ist eine Schande für die demokratische Kultur in der Schweiz, wie mit unserer Initiative umgegangen wurde. Leider ist es aber so, dass wir am kürzeren Hebel sitzen. Der Vertrag ist unterzeichnet und die Beschaffung somit besiegelt. Jetzt noch eine Abstimmung durchzuführen, wäre nichts anderes als eine demokratische Farce, weil das Ergebnis keine Wirkung mehr hätte. Mehr noch: Bei einem Nein zur Initiative würde das Fiasko rund um die Kampfjet-Beschaffung demokratisch legitimiert und unsere Bedenken würden ein für allemal vom Tisch gewischt. Selbst bei einem Ja würden die Jets beschafft, da Initiativen rechtlich betrachtet keine rückwirkende Geltung entfalten. Bei so einer Abstimmung hätte also das VBS sowohl bei “Ja” als auch bei “Nein” gewonnen und wir in beiden Fällen nur verlieren können. Wir stellen darum deutlich klar, dass wir nach wie vor gegen diese Beschaffung sind. Aber uns ist – im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien und dem Bundesrat – die Demokratie zu wichtig, als dass wir dem Volk mit einer Pseudo-Abstimmung eine Mitsprache vorgaukeln. Daher ist es wichtig zu betonen, dass nicht wir mit dem Rückzug eine Abstimmung verunmöglichen, sondern Bundesrat und Parlament dafür verantwortlich sind. Sie nehmen damit einen massiven Flurschaden an der direkten Demokratie in Kauf.

Bundesrat und Parlament hätten die Chance gehabt, eine Volksabstimmung zu ermöglichen, wenn der politische Wille vorhanden gewesen wäre. Der Bundesrat hätte unserem Zeitplan folgen können, mit den USA eine Verlängerung der Offerten aushandeln oder vereinbaren können, den Vertrag unter Vorbehalt der Ablehnung unserer Initiative zu unterschreiben. Die Möglichkeiten waren vielfältig und wir forderten es immer und immer wieder. Offenbar wollte er das aber nicht – trotz der zahlreichen Fragezeichen bei der Beschaffung, trotz der Berichte der EFK und GPK, trotz den finanziellen Risiken, trotz der technischen Mängel. Vielleicht hatten aber Bundesrätin Amherd und die bürgerlichen Parteien aufgrund ihres mehrfachen Versagens in dieser Angelegenheit auch schlicht und einfach Angst, sich einer Volksabstimmung zu stellen.

Der Kampf geht weiter

Wir werden weiterhin in jeder Hinsicht ganz genau hinschauen. Sei es bei möglichen Lieferverzögerungen, «unerwarteten» Kostenexplosionen und technischen Mängel, vom ersten gelieferten Jet bis zur dereinstigen Verschrottung der gesamten F-35-Flotte: wir werden niemanden vergessen lassen, dass diese Tarnkappenbomber mit den dreckigsten Tricks in der politischen Geschichte der Schweiz beschafft worden sind und keine Legitimation durch die Bevölkerung haben. Wenn sich die Risiken bewahrheiten, wird niemand sagen können, dass diese nicht absehbar gewesen wären. Durch unsere Initiative lagen die Probleme auf dem Tisch.

Der Rückzug der Initiative bedeutet auch keineswegs ein Ende unseres Kampfes gegen sinnlose Rüstungsprojekte. Wir werden weiterhin dranbleiben. Im Zuge des Krieges in der Ukraine hat die Rüstungslobby weiterhin Zulauf bekommen. Das Armeebudget wird künftig absurderweise jährlich in Milliardenhöhe erhöht. Die Schweiz hat den Atomwaffenverbotsvertrag nach wie vor nicht unterzeichnet.Unseren dringend nötigen Einsatz gegen die Stahlhelmfraktion und ihre Aufrüstungsphantasien werden wir also unbeirrt fortsetzen und hoffen, dass ihr uns auf diesem Weg auch weiterhin begleitet.

An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei all den Leuten bedanken, die uns bei dieser Initiative unterstützt haben, die gespendet haben, die mit uns Unterschriften gesammelt haben, die uns beim Beglaubigen geholfen haben und so weiter. Dank euch haben wir unseren Beitrag geleistet und die Initiative nach nicht einmal einem Jahr eingereicht. Wir haben Hand geboten, um eine Volksabstimmung vor dem Auslaufen des Kaufvertrags zu ermöglichen. Wir haben ein eindrückliches, unbestreitbares antimilitaristisches Zeichen mitten im Ukraine-Krieg gesetzt und so dem Aufrüstungswahn zumindest in einer Hinsicht getrotzt. Leider sind Bundesrat und Parlament nicht darauf eingestiegen.

Es ist frustrierend, nach so viel Arbeit diesen Schritt zu vollziehen. Aus den oben genannten Gründen ist es aus unserer Sicht aber der richtige Schritt. Wenn der Bundesrat mit Hilfe des Parlaments die direkte Demokratie aushebelt und dann trotzdem noch eine Pseudoabstimmung will, machen wir da nicht mit.

Wir haben aber auch viel erreicht. Die F-35 Beschaffung war dank uns immer wieder in den Medien. Es wurde eine Sensibilität für die Probleme dieses Kampfjets geschaffen, die auch nach der Beschaffung wichtig sein wird. Wir haben so viel Druck ausgeübt, dass zwei wichtige Gremien (EFK und GPK) zusätzliche Untersuchungen anstellten, die uns recht gaben. Wir haben es geschafft, uns auch in Zeiten des Aufrüstungshypes als kritische Stimme gegen unnötige Rüstungsprojekte zu etablieren – da werden wir anknüpfen und weitermachen!

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